Tauchlehrer in Ägypten: Traum und Realität

Verfasst von Roland Zbinden am .

Sonne, Meer, tägliches Tauchen – was ist das? Ja, genau: Arbeit! Wie die Arbeit
eines Tauchlehrers in Ägypten aussieht, die Sonnen- und Schattenseiten dieses
Traumberufs möchte ich in diesem Bericht etwas aufzeigen. Aber fangen wir
ganz vorne an…


Vor gut einem Jahr habe ich anlässlich meiner Tec-Instructor Ausbildung in Safaga
die Birga, Partnerin des Basisleiters von Orca in El Gouna, als meine Schülerin angetroffen. Wir haben uns prima verstanden und das erste Angebot als Tauchlehrer bei ihnen zu arbeiten stand bald einmal fest.

Tschüss Schweiz -  Assalamualeikum Masr!

Mit „Wirtschaftskrise“ in beruflichen Alltag und ihrem Nachfragen, habe ich mich entschlossen, in diese neue Welt als Tauchlehrer in Ägypten einzutauchen. Mitte April  war es dann auch soweit, keine Wohnung mehr, Auto eingestellt, Behörden und  Ämter abgeklappert, Versicherungen geregelt und alles Tauchzeug gepackt.

Tschüss  Schweiz - Assalamualeikum Masr! Seit diesem Zeitpunkt sind nahezu fünf Monate vergangen und ich getraue mich eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen.

Schoggi-Job...

Zweimal täglich Tauchen, viel Erfahrung bei Kursen, Guiding und im Umgang mit Gästen sammeln. Natürlich eine gute Stimmung den ganzen Tag, wenig Hektik, andere Kulturen und viele verschiedene Menschen kennenlernen.

Jeden Tag die Wunder der Unterwasserwelt aufs Neue bestaunen und den Gästen vorführen dürfen, Wracks, Strömungen, gute Sicht, jeden Tag Sonne und blauer Himmel, 40 Grad Lufttemperatur und 28 Grad im Wasser, die tolle Teamarbeit mit Tauchlehrerkollegen und Bootscrews… Das sind die schönsten Dinge am Leben als Tauchlehrer.

...mit Schattenseiten

Dagegen steht die enorme Verantwortung, die man tagtäglich trägt. Wenn etwas passiert, ist es keine Übung mehr und bei gut 10‘000 Tauchgängen im Jahr, welche die Orca Gäste in El Gouna machen, passiert auch ab und zu etwas Ernstes.

Ausserdem ist die Tauchschule ein Geschäft und als Tauchlehrer ist man deren Aussendienstmitarbeiter. Trotz Business werden die Kurse hier seriös durchgeführt und die Anforderungen sind dieselben wie in der Schweiz. Nicht jeder Gast ist angenehm und zwischendurch gibt es echte Nervensägen, Bewegungslegastheniker und Besserwisser. Aber man muss immer freundlich lächeln und jeden Gast zuvorkommend behandeln, er soll ja wiederkommen.

Man sieht wirklich alles an Tauchern – auch das, was man gar nicht glaubt, dass es das gibt. Aber die meisten wollen eine gute Zeit verbringen und diese bieten wir ihnen. Ein bisschen Humor und Schlagfertigkeit sind von Vorteil. Der Tauchlehrer ist gleichzeitig auch ein bisschen Animateur.

Vom Hobby zum Beruf

Jedoch ist das Leben als Tauchlehrer in Ägypten kein Hobby mehr wie in der Schweiz, es ist ein Beruf und es geht darum den Lebensunterhalt damit zu verdienen.

El Gouna ist ein etwas teures Pflaster und wir werden deshalb für die Verhältnisse in Ägypten sehr gut bezahlt. Wir kriegen rund 800 Euro im Monat fix plus in guten Monaten bis rund 100 Euro an Provisionen für Kurse und etwas Kleines an Trinkgeldern. Für die Wohnung gehen aber schon gerne mal 350 Euro davon weg und gegessen hat man noch nichts. Zum Glück essen wir auf dem Tauchboot kostenlos, was das Budget entlastet. Dafür sind die Abende mit den Gästen meistens umso teurer…

Unser Tag beginnt um 8 Uhr in der Basis, wo wir die Gäste einsammeln und auf unsere Boote verteilen. Sind alle da, fahren wir ein bis maximal zwei Stunden zu den Tauchplätzen. In dieser Zeit erledigen wir viele Kursvorbereitungen, Bootsbriefing für Neuankömmlinge, Tauchplatzkarte zeichnen, Ersatz- und Notfallausrüstung überprüfen sowie die Gruppeneinteilung.

Am Tauchplatz angekommen immer ein ausführliches Briefing vor jedem Tauchgang, da die Gäste mit mehr als 30 Tauchgängen selbständig tauchen dürfen. Wir wollen sie ja alle wieder heil zurückhaben, was wir auch regelmässig immer wieder durch Anwesenheitskontrollen sicherstellen. Als Guide heisst das aber meistens mit den Anfängern tauchen und nicht immer die Tauchplätze von ihrer schönsten Seite auskosten.

Nach dem Tauchgang gibt’s Essen, Mittagspause, Tauchplatz wechseln, neue Tauchplatzkarte, neues Briefing und wieder abtauchen. Wir sind nicht oft  alleine auf dem Boot und so wechseln wir uns den ganzen Tag mit den Aufgaben ein wenig ab. Die Rückfahrt ist meistens etwas kürzer und die Gäste sind meistens etwas erschöpft, es wird dann merklich ruhiger auf dem Boot.

Gegen fünf Uhr am Abend sind wir zurück in der Marina. Danach Ausrüstung waschen, mithelfen auf der Basis, die anfallenden Reparaturen und Revisionen in der Werkstatt erledigen und mit den Gästen auf ein Dekobierchen gehen, wenn alles erledigt ist. Um sieben Uhr, nach 11 Stunden Arbeitstag, ist Feierabend. Wir arbeiten rund 6 Tage und haben dann einen Tag frei. Wenn viel los ist, dann gibt’s halt auch ein paar Arbeitstage mehr bis zum freien Tag.

Alltag ist überall

Ein paar Wochen Urlaub in Ägypten sind nicht ganz dasselbe wie hier zu leben. Die Uhren ticken langsamer, für Präzision und Qualität gelten nicht dieselben Massstäbe wie bei uns und auch die Hygiene- und Wertvorstellungen sind neben vielem Weiteren anders.

Es ist sehr interessant durch den langen Aufenthalt etwas hinter die Kulissen zu blicken und durch die Zusammenarbeit mit den Ägyptern mehr von ihrem Leben und Tun mitzubekommen.

Es ist mittlerweile ein Job wie viele andere, Gesundheitlich immer etwas am Limit auch wenn es nicht danach aussieht, aber es macht Spass. Die paar Problemgäste werden durch viele gute Andere kompensiert. Die Erfahrungen, die man sammelt sind unbezahlbar. Das Gehalt reicht zum Durchkommen. Durchwegs ein interessanter Beruf und ich bin froh dass ich mich dafür entschieden habe. Trotz allem freue ich mich auf den Winter in der Schweiz!

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